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und schließlich jüdische Metzger kaum noch Schlachtscheine erhielten, da fiel Hans in tiefe Depressionen und weigerte sich, im Betrieb weiterzumachen.«5 Hans Kahn war es dann auch, der die Entscheidung zur Emigration vorantrieb und schließlich als erster die Heimat verließ. Sechzig Jahre lebte er in Amerika und hat Bullay nie wieder besucht. Er starb am 18. März 1996 in Columbus, Ohio.

Im Jahre 1937 verließ dann auch Julius Harf mit seiner Familie Bullay und wanderte nach Erie/Pennsylvania USA aus. Nun hatten es die Nazis geschafft. Die beiden jüdischen Metzgereien existierten nicht mehr. Bis auf das Ehepaar Gustav und Lina Harf, die im verkauften Haus in der Bahnhofstraße 118 eine Wohnung behielten, hatten die Bullayer Juden ihre Heimat verlassen.


Die Ausplünderung der Daheimgebliebenen

Aber das alte Ehepaar Harf blieb eine Zielscheibe für die Parteigenossen. In der sogenannten »Reichskristallnacht« am 9./10. November 1938 gab es in Bullay keine Schaufenster mehr zu zerschlagen, keine Synagoge oder sonstigen jüdischen Besitz in Brand zu stecken. Aber die Schüsse von Paris auf den Legationsrat vom Rath am 7. November 1938 waren auch in Bullay ein willkommener Anlaß für eine »Judenaktion«. Ein angeblich unbekanntes »Rollkomando« verwüstete den oberhalb des sogenannten Bullayer Aufmarschplatzes gelegenen jüdischen Friedhof; nur die »deutsche Erde« war heilig.
Außerdem pinselten »Unbekannte« mit Karbolineum, einer tiefbraunen bis schwarzen Brühe, die zum Imprägnieren von Weinbergspfählen dient, auf das jetzt den Gebrüder Zinzius gehörende Haus, in dem das Ehepaar Harf im oberen Geschoß wohnte:
»Hier wohnt ein Jude und sein Knecht«;
Der Spruch imprägnierte die Hauswand und soll erst durch Überputzen nach dem Krieg völlig unkenntlich geworden sein.

Beim Pogrom im November 1938 wurden in Deutschland Hunderte von Synagogen und Wohnhäusern zerstört oder abgebrannt und Tausende von Waren- und Geschäftshäusern verwüstet. Für die von »Ariern« angerichteten Schäden

Hans Kahn mit seiner Verlobten im Jahre 1935, kurz vor seiner Ausreise.

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