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ging ich nach Zell zur Schule. Auf dem Weg nach Hause kamen mir Clementine Berger und andere Freunde entgegen und warnten mich, ich solle wieder nach Zell zurück, denn in Merl würde mich Schlimmes erwarten. Ich ging zu der jüdischen Kriegswitwe Louise Frank, die am Schwarze-Katz-Brunnen lebte und wartete auf die Dämmerung. Vor unserem Haus standen zwei SA-Männer. Sie ließen mich ins Haus, wo alles zerstört war. Mein Vater wurde von Zell ins Konzentrationslager Dachau gebracht.12 Er sollte erst entlassen werden, wenn wir einen Nachweis über unser Auswanderungsvorhaben erbringen konnten. Also schrieb meine Stiefmutter an meinen Onkel Max Wolf und meine Tante Else Frenkel, die von Merzig nach Palästina ausgewandert waren. Sie schickten uns die notwendigen Papiere und mein Vater wurde Anfang 1939 aus Dachau entlassen.
In der Kristallnacht war unser Haus so demoliert worden, daß wir nur noch notdürftig darin leben konnten. Im April 1939 ging ich in eine Jüdische Berufsschule für Schlosser und Tischler nach Köln in der Lützhofstraße. Nachdem mein Vater gezwungenermaßen das Haus an einen der schlimmsten Nazis verkaufte, zogen meine Eltern nach Köln. Mein Vater wurde zur Zwangsarbeit in der Kölner Glanzstoff verpflichtet. Ich kam 1940 nach Schneebienchen in der Niederlausitz, wo mich eine jüdische Organisation in der Landarbeit ausbildete. Als diese Organisation schließen mußte, kam ich 1941 nach Paderborn, Grüner Weg 86. Wir lebten in drei Baracken und mußten für die Stadt arbeiten: Müllabfuhr, Straßen fegen, Bürgersteige von Eis und Schnee freihalten. Wir mußten zwar den Judenstern tragen, aber die Leute in Paderborn hatten eher Mitleid mit uns. Sie haben uns heimlich Essen zugesteckt. Mein Vater rief eines Tages von Köln an und sagte, er hätte den Evakuierungsbefehl in den Osten bekommen. Er wollte, daß ich mit ihm und meiner Stiefmutter ging, aber ich blieb. 1943 wurde auch unsere Gruppe evakuiert. Der Zug fuhr zunächst nach Bielefeld und dann nach Auschwitz. Die Fahrt dauerte zwei Tage, und ich kam nachts an. Ich erinnere mich an die Scheinwerfer und die Lautsprecher: »Raus! Raus! Alles drin liegen lassen! Frauen, Kinder, Kranke, Männer ab 45 und unter 18 rechts aufstellen. Die anderen links!« Ich war 18 Jahre alt, wirkte aber jünger, weil ich klein bin. Der Unterscharführer fragte mich, ob ich denn arbeiten kann und als ich bejahte durfte ich in der linken Reihe bleiben. Die andern wurden sofort vergast.
Ich bekam die Nummer 105046 eintätowiert und mußte bei der IG-Farben in Sosnowitz Zwangsarbeit leisten. Ein Arzt der SS hat uns jeden Tag überprüft. Wer nicht mehr arbeitsfähig war, wurde liquidiert. Ich mußte 50 kg schwere Zementsäcke im Laufschritt

Auf private Initiative wurde Manfred Wolf im Jahre 1996 von Los Angeles, USA, eingeladen. Anläßlich dieses Besuchs erzählte er seine Geschichte im &Mac221;Haus Waldfrieden&Mac220;, Alf.

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