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Im September des gleichen Jahres bin ich nach Amerika ausgewandert und meine älteren Schwestern sind im folgenden Frühjahr nach England geflüchtet. Leider konnten meine liebe Mutter und meine kleine Schwester Edith, die damals 11 Jahre alt war, nicht mehr aus Deutschland ausreisen.
Nach der Kristallnacht im November 1938 wurde es sehr schwer für alle Juden in Deutschland. Der Krieg mit Polen und England begann im Sommer 1939 und danach war es unmöglich auszuwandern.
Nach der Kristallnacht konnte Edith in Düngenheim nicht mehr zur Schule gehen. Sie mußte deshalb jede Woche nach Koblenz fahren und wohnte dort bei einem älteren Ehepaar1. Jedes Wochenende fuhr sie heim zu ihrer Mutter nach Düngenheim.
Das ältere Ehepaar hatte den Befehl bekommen, zum Konzentrationslager deportiert zu werden. Da sie dieses nicht erleben wollten, haben sie sich vorher selbst umgebracht. Das war natürlich sehr furchtbar für mein Schwesterchen und sie hat sehr gelitten.
Kurz nachdem wurde die Schule in Koblenz geschlossen und meine Schwester mußte in Köln zur Schule gehen. Natürlich konnte sie von da aus nicht jede Woche nach Hause fahren (nicht mit der heutigen Zeit vergleichbar) und war nun längere Zeit von meiner Mutter getrennt. Sie war zu diesem Zeitpunkt erst 12 Jahre alt.
Ihr größter Wunsch war, mir nach Amerika zu folgen, aber alle Türen waren fest verschlossen. Obwohl ich von Amerika aus versucht habe, es zu ermöglichen, war es ganz unmöglich.
Meine gute Freundin und frühere Nachbarin, Anna Lellig, hat mir erzählt, daß Edith sich gewünscht hat, jedesmal wenn sie ein Flugzeug sah, daß es herunterkäme, sie aufnehmen und mit in Freiheit bringen würde. Leider – leider war es unmöglich ...«2

Selma Davids Mutter und ihre jüngere Schwester Edith wurden nach Polen deportiert und dort ermordet.

Die Opfer
Berta David geb. Roos *3.2.1887, in Polen ermordet
Edith David *19.1.1928, in Polen ermordet




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